Sie graben in Israel mit Kommilitonen aus aller Welt nach archäologischen Funden. Die Ausbeute der Studenten aus Heidelberg, Tel Aviv und anderswo ist karg…
Statt eines Goldschatzes finden sie Knochen, Scherben, Speerspitzen. Aber die Strapazen bei 40 Grad im Schatten steht die Buddel-Gemeinde durch. Die Sonne steht hoch am Himmel über Ramat Rahel, einem Berg am alten Pilgerweg von Bethlehem nach Jerusalem. Das Thermometer zeigt 40 Grad im Schatten, der Schweiß brennt in den Wunden. „Ich glaube, da ist was“, ruft ein Student hoffnungsvoll aus Areal C1. Er legt seine Schippe beiseite und legt behutsam seinen Fund frei. Einen Tonkrug.
Sandkasten der Geschichte
„Wahrscheinlich aus der Perserzeit“, schätzt Nirit mit gekonntem Blick. Sie ist eine der Leiterinnen vom Team der Universität Tel Aviv. Der Fund wird ins Labor gebracht, die Arbeit geht weiter. Aber die eigentliche Frage für Außenstehende bleibt: Warum buddelt man wochenlang bei sengender Hitze in Staub, Schutt und Scherben, und das im schwelenden Nahost-Konflikt?
Das fragten sich bisweilen auch die Studenten, die in den Semesterferien für vier Wochen bei einer von den Universitäten Heidelberg und Tel Aviv organisierten Ausgrabung mitmachten. „Die Arbeit ist sehr anstrengend, da darf man sich nichts vormachen“, sagt eine der Studentinnen. Student Daniel pflichtet ihnen bei: „Nach den harten Strapazen weiß man, was man getan hat.“
Der Tag beginnt morgens um halb sechs. Erst eine rasche Zufuhr von Koffein, dann heißt es durchhalten und viel trinken. Die Arbeit ist eintönig: Graben mit Spitzhacke und Schaufel, überflüssigen Schutt auf Schubkarren verladen, das Areal mit Besen und Kehrblech für den nächsten Tag reinigen, am Nachmittag die Funde waschen. Ein bunt gemischtes Team von 57 Teilnehmern arbeitet auf dieser Ausgrabung zusammen.
Zu 20 Studenten aus Heidelberg kommen Kommilitonen aus Griechenland, Italien, Spanien, Frankreich und den Niederlanden, aus den USA, Kanada, Argentinien und Hongkong. Die Chemie in der kleinen Buddel-Gemeinde stimmt: „Die Arbeit schweißt uns zusammen“, sagt ein Student. Statt im Zelt, wie sonst bei Ausgrabungen üblich, übernachtet die Gruppe im nahe gelegenen Kibbuzhotel.
Karge Beute, viel Spaß
Anders als das filmische Vorbild Indiana Jones suchen die Studenten weder nach Gold noch nach dem heiligen Gral. Die täglichen Funde sind selten spektakulär: viele Tonscherben, ein paar Knochen, Nägel und Pfeilspitzen. Auf der Anlage wurden aber antike Pools, Wassertunnel und eine Gartenanlage ausgegraben, deren Mindestalter Experten auf 2500 Jahre schätzen.
Im Nachbarareal hat man eine islamische Villa entdeckt, ebenfalls sehr alt und pompös. Nach Feierabend trotzen viele Archäologen ihrer Müdigkeit und fahren per Bus oder Taxi nach Jerusalem, um dort Großstadtleben zu finden oder sich die einmaligen Kulturgüter anzusehen. Über den Nahost-Konflikt wird auf der Ausgrabung nur wenig gesprochen, obwohl einige Freunde oder Bekannte der israelischen Studenten zum Militärdienst eingezogen wurden und es sogar einen Todesfall im Norden des Landes gab. Über Religion tauschen sich die Studenten dagegen ausgiebig aus.
Die Dozenten zehren vor allem von ihrer Leidenschaft für die Archäologie, die für sie Wissenschaft ist – aber auch Leidenschaft und ein bisschen Spielerei. Eine Freude von früher haben sich die meisten bewahrt: Archäologie kann so spielerisch wie im Sandkasten der Kindheit sein, geben viele zu. Hier wird allerdings mit der Schippe eine alte Festung freigelegt, um rekonstruieren zu können, mit welchen Backformen sie einmal gebaut wurde.
Artikelbilder: © Jan Thomas Otte
Logbuch| Jan Thomas Otte arbeitete zwischen Zivildienst und Studium ein halbes Jahr in der Jerusalemer Altstadt. Im Hospiz gab es nicht nur frischen Pfefferminztee sondern auch regelmäßige Andachten für Pilger …