Vielfach als „Tibet“ Südamerikas beschrieben, wartet Bolivien mit einigen Rekorden auf: Dem größten Bergsee, der höchsten Haupstadt, der weitesten Salzwüste der Welt. Im ärmsten Land des Kontinents leben auch die meisten Indigenos…

26.12.

Nach einer äußerst ungemütlichen Fahrt im schwankenden, überheizten Nachtbus kommen wir in Puno an. Puno liegt am Ufer des Titicacasees. Von hier aus wollen wir auf die Isla del Sol in Bolivien. Mit der üblichen, wichtigtuerischen Stemplerei nach Copacabana, der Grenze von Peru aus.

Von Copacabana schließlich per Boot auf die Sonneninsel, die ihrem Nahmen alle Ehre macht. Nach Dauerregen in Cusco und unterwegs endlich wieder Sonne!

Am Bootsanleger der Insel wartet Nicolas mit seinem Sohn Miguel. Die beiden wurden vom Hostel geschickt, um unsere Rucksäcke zu schleppen. Zuerst ist es uns ein wenig peinlich, nicht selbst unter der Last zu schwitzen. Wir sind auf 3800m Höhe, müssen aber nochmals 200m höher. Wir nehmen diese (wenn auch ungewohnte) Hilfe dankbar an.

Unser Hostal ecologico liegt einsam, über einer netten Bucht des Titicacasees. Der wirkt nicht nur tiefblau sondern ist es auch! Am Abend gibt es Quinoa-Suppe und Trucha, frische Forelle ohne Gräten, direkt aus dem See. Danach kriechen wir bei einer Außentemperatur um den Gefrierpunkt unter dicke Lamadecken.

27.12.

Vom I-Aaa der Esel geweckt. Nach einem leckeren Frühstück mit frisch gepressten Orangensaft starten wir zu einer Wanderung um die Insel. Der nördliche Teil ist recht karg. Hin und wieder treffen wir auf vereinzelte Schweine, aber außer Transporteseln gibt es hier keinen Verkehr. Von den paar Touristen mal abgesehen. Richtung Süden wird der Boden immer fruchtbarer mit Kartoffel- und Maisbeeten.

Schweine am Sandstrand

Am schönsten sind die Blicke auf das Wasser, klar. Und das glitzert in allen erdenklichen Blauschattierungen. Es perfektioniert die ländliche Idylle, zumindest für Vorbeiziehende. Wir fotografieren genug davon. Was einen Bauer empört. Wir sollen nicht seine Schweine vor der knallblauen Seekulisse knipsen.

Er bleibt eher die Ausnahme unter den Insulanern. Andere, die unseren Weg kreuzen, sind ausgesprochen freundlich. Schließlich geht der Pfad steil bergab, endet in einer Bucht mit weißem Sandstrand. Hier hat sich ein Grüppchen trommelnder, jounglierender Hippies niedergelassen. Sie teilen sich die Bucht friedlich mit drei Ferkeln.

Nach 8 Stunden auf und ab mit ausführlichem Mittagspicknick bei dem wir aus Versehen einen heiligen Inka-Felsen entweihten, haben wir es tatsächlich geschafft, die Insel (immerhin die größte im See) zu umrunden. Abends entscheiden wir uns fürs Touristenmenü im Dorf. Laut Reiseführer hat die Insel eine höhere Prokopfdichte an Pizzerien als Rom.

Ganze so fix läuft die Pizzabäckerei aber nicht. Diverse Hilfsburschen werden mehrmals ausgeschickt, um Zutaten und Kerzen aus dem nahe gelegenen Supermarkt zu besorgen. Schließlich werden wir bei Kerzenschein doch noch satt.

28.12.

Wir ruhen unsere müden Wanderbeine aus, lassen uns die Sonne auf den Bauch scheinen. An der Terasse transportieren Esel Wasserkanister vorbei. Unten auf der Wiese wird ein Kaninchenstall gebaut. Indigene Kinder stochern mit Stöcken im Froschteich.

Mangelware Bargeld, viel Gelassenheit

Thomas kann die gemütlichen Szenen kaum genießen, weil er versucht, im einzigen Internetcafé der Insel mit einer unglaublichen langsamen Verbindungen zu ebenso unglaublich hohen Preisen Bilder zu sichern. Das dauert leider fünf ein halb Stunden. Da es auf der gesamten Insel keine Geldautomaten gibt (und wir auf dem Festland nur eine kleine Summe abheben konnten) sind wir nach der Internetaktion ganz schön knapp bei Kasse.

Fürs Abendessen bleiben uns 60 bolivianische Dollar, umgerechnet sechs Euro. Unser hilfsbereiter Hostelbesitzer ist bereit, dafür ein Menü mit Qinoa-Suppe, Spaghetti und Obstsalat zu servieren. Nebenbei bekommen wir noch erläutert, wie wir am sichersten nach Uyuni kommen…

29.12.

Schon beim Aufstehen ahnen wir, dass der Tag abenteuerlich werden könnte. Zunächst müssen wir mit den Rucksäcken im Wolkenbruch zum Bootsanleger absteigen. Zum Glück haben wir in Peru Regenponchos gekauft.

Wie schon erwähnt, Bargeld ist knapp. Das Geld für die Fähre haben wir beiseite gelegt. Daher werden wir vom doppelten Preis für die Rückfahrt überrascht. Ein australisches Traveller-Pärchen rettet uns von der Insel mit zehn Bolivianos. Nach nem Euro zu fragen ist eine neue Erfahrung für uns. Später bekommt er von uns das Doppelte zurück, fast so wie Jesus und Zachhäus – nur anders rum…

Verkehrschaos in der höchsten Metropole

Nach unruhiger See. Wir steigen in den Touri-Bus nach La Paz. Die Fahrt durch den Stadtteil El Alto zeigt zweifellos, dass Touristen lieber im Zentrum ein bisschen shoppen. Aber auch der Rest der Stadt veranlasst uns, so schnell wie möglich wieder raus zu kommen. Vielleicht zu unrecht. Raus aus der 2-Millionen-Metropole geht es mit dem (laut Marketing) besten Gefährt des Landes. Der Bus ist prima, die Straßen sind es nicht…

Kurz vor Uyuni und 13 Stunden Fahrt über Wüstenpiste (5% aller Straßen in Bolivien sind asphaltiert) treffen wir auf den Gegenbus, der am Vorabend im Matsch stecken geblieben ist. 10 Stunden. Die 30 Passagiere versuchten sogar, den Bus aus der Pfütze zu schieben. Widerstand zwecklos. Trinkwasser? Nun ja, wir hatten noch was.

30.12.-1.1.

Nachdem unser Busfahrer den Pannenbus mit Reifenwechsel und Abschleppseil gerettet hatte, kommen wir mit 2 Stunden Verspätung am Salzsee an. Auf geht es zur dreitägigen Jeep-Tour. Laut Reiseführer empfindet einer von fünf die Tour „once-in-a-lifetime“ als Alptraum, der Rest als einmaliges, unvergesslich tolles Erlebnis.

Vorweg sei schon gesagt, dass es für unser Glück letzteres wurde. Das lag am zuverlässigen Jeep, dem erfahrenen, freundlichen Guide, den einfachen aber sauberen Unterkünften, der netten Gesellschaft, nicht zuletzt am Essen.

In vielen Reiseblogs ist von gegenteiligen Erfahrungen zu lesen. Allerdings werden die Touren vielfach zu unglaublich billigen Preisen angeboten, so dass man sich dann nicht wundern muss, wenn eine siebte Person ins Fahrzeug gestopft wird oder das Essen knapper bemessen ist, liebe Fellow-Backpacker!

Der ersten Tag auf dem weltweit größten Salzsee. In der Regenzeit fahren wir durch eine fast gespenstische Landschaft aus Blau und Weiß. Da das Wasser den Himmel spiegelt – und umgekehrt, sagt einzig die Schwerkraft, wo unten ist. Später geraten wir in ein Gewitter. Der Himmel schüttet sich aus: rechts, links, vorne, hinten zucken die Blitze. In eine mit Lithium (verwendet in Hochleistungsakkus) aufgeladene Salzkruste. Boliviens weißes Gold

Landschaft anders als gewohnt

Nichts mehr zu sehen, vor allem nicht die Berge am Horizont, an denen sich unserer Fahrer orientiert. Statt GPS, Karte und Kompass. Cavino, der Fahrer, besteht diesen ersten Härtetest mit Bravour, hält an, wartet bis der Regen etwas nachlässt. Inzwischen haben wir uns auch mit den Mitfahrern angefreundet. Einem Pärchen aus La Paz und zwei Mädels aus Bolivien und Kolumbien.

In einem komplett aus Salz gebauten Hostal (das Wellblech-Dach ausgenommen) werden wir mit Suppe, Hühnchen, gebackenen Bananen und Kartoffeln erwartet. Am nächsten Tag fahren wir ab 6 Uhr morgens durch die Wüste. Wir sehen Vulkane, die sich mit roten, gelben, grauen und grünen Gestein vom knallblauen Himmel abheben.

Es geht vorbei an Lagunen, in denen Flamingos stolzieren und nach Plankton picken. Besonders: Die Lagune Colorado, deren Wasser durch bestimmte Algen rot gefärbt ist. Um diese Pracht sehen zu dürfen, muss man sein Eintrittsgeld im Nationalpark bezahlen. Warum Ausländer fünfmal mehr zahlen sollen als Bolivianer bleibt uns undurchsichtig, ebenso der eigentliche Verwendungszweck? Nun ja. Vielleicht ist es einfach zu deutsch über solcherlei Fragwürdigkeiten zu motzen…

Silvester verschlafen wir, da wir am Neujahrsmorgen um 4 Uhr aufstehen müssen. Nur bei Sonnenaufgang dampfen und sprudeln die Geysire auf 4700m Höhe. Danach schauen wir uns die grüne Lagune an, die von Kupfer gefärbt wird. Und nach der Laguna Verde stehen wir auch schon an der Grenze zu Chile, dem kommenden Kapitel unserer Reise. Zum Glück wartet schon ein Minibus, der uns nach San Pedro in der Attacama-Wüste bringt.

In Chile fällt zuerst die geteerte Straße auf. Der Minibus scheint jedoch nicht sicherer zu sein als die von Bolivien oder Peru.

Der Km/h-Zeiger ist schrott, der Fahrer hält sich permanent sein Handy ans Ohr, versteht nix, vergisst aber auch das immerrauschende Radio leiser zu drehen. Wir sind froh, dass die Bremsen für 3000m Gefälle vorbei am doppelt so hoch gelegenen Vulkan Likanbur funktionieren…

Artikelbilder: © Jan Thomas Otte

Logbuch| Marion Hansberg und Jan Thomas Otte haben bisher nur Spanisch verstanden. Nun sprechen sie es auch – ein bisschen! Unterwegs mit dem Rucksack vom Equator bis nach Feuerland. Entlang der Anden gen Süden: Peru, Bolivien, Chile und Argentinien. Die Antarktis heben sie sich fuer ein anderes Mal auf…

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