In der chinesischen Millionenstadt Harbin fällt das Thermometer in den Wintermonaten konstant auf unter minus 20 Grad. Seit 1985 findet in Harbin jährlich das internationale Eis- und Schneefestival statt. Johanna Stöckl hat sich umgehört…

Anstelle sich von der Kälte lahm legen zu lassen, zelebriert die Stadt die tiefen Temperaturen. Neben zahlreichen Touristen, vorwiegend aus China und Russland, zieht es auch Schnee- und Eisskulpturenkünstler aus aller Welt in die Hauptstadt der Mandschurei, um sich in Wettkämpfen zu messen.

Eisbildhauerin Patricia Leguen ist zum sechsten Mal in Harbin. Im „Ice-Dome“ des Zhaolinpark sprach die 49-jährige Dolmetscherin aus Saksatoon/Kanada über ihre Leidenschaft, Kälte, Kürbisse, Vergänglichkeit, Bunsenbrenner und Spannungsrisse.

Sie sind zum ersten Mal in Harbin?

Ich bin quasi Stammgast und bereits das sechste Mal in Harbin. Ich komme gerne nach China und mag diesen Wettbewerb sehr. Ich kenne praktisch alle Teilnehmer persönlich. Die Weltelite trifft sich immer wieder, auf diversen Wettkämpfen und Festivals. Wissen Sie, wir Eiskünstler sind eine kleine, eingeschworene, internationale Familie. Dieses Jahr hatte ich das Glück eine Einladung für zwei Personen zu erhalten. So konnte ich meinen Landsmann Craig Mutch aus Vancouver mitbringen. Wir treten im Team für Kanada an.

Frauen scheinen eine Minderheit bei den Eiskünstlern zu sein. Richtig?

1999, als ich das erste Mal in Harbin antrat, war ich die einzige Frau bei diesem Wettbewerb. Ich war der Star. Mittlerweile aber gibt es eine Handvoll weiblicher Teilnehmer, auch aus China. Aber grundsätzlich sind wir Frauen immer noch stark in der Minderheit.

Eis? „Mein Lieblingsmedium“

Wie kamen Sie zur Eisbildhauerei?

Ich war schon immer ein kreativer Mensch. Bereits als Kind schnitzte ich Kürbisse. Vor circa 20 Jahren versuchte ich zum Spaß erste Skulpturen aus Schnee zu schaffen. Ich hörte von Wettkämpfen und dachte: „Warum nicht?“ Als ich bei meiner ersten Teilnahme, es handelte sich um nationalen Meisterschaften in Kanada, gleich den dritten Platz belegte, fing ich Feuer. Es dauerte nicht lange und ich landete beim Eis. Es ist mein Lieblingsmedium.

Haben Sie auch schon Wettbewerbe gewonnen?

Einige.

Gibt es Siegprämien?

Manchmal ja, allerdings handelt es sich dabei um sehr kleine Beträge. (Lacht) Viel mehr sammle ich Pokale, Trophäen und Medaillen.

Wie lange dauert es in der Regel bis aus einem Eisblock eine schöne Skulptur entsteht?

Die Regeln sind vorgegeben. An einem Eisblock dürfen wir im Team genau 2,5 Tage arbeiten. Im Schnee 3,5 Tage.

Wie viele Teilnehmer treten beim Eisskulpturen-Wettbewerb in Harbin an?

2013 sind 28 internationale Teams am Start. Unter anderem aus China, Russland, Japan, Thailand, Schweden, Litauen und USA.
Welche Werkzeuge verwenden Sie?

Für’s Grobe eine Kettensäge, dann natürlich diverse Schleif- und Poliergeräte, Föhn, Schnitzmesser, Bunsenbrenner oder auch Bügeleisen. Ach ja, und wir tragen einen Mundschutz gegen den groben Eisstaub. Auf Dauer kann es unangenehm werden, diesen einzuatmen.

Föhn und Bunsenbrenner? Das müssen Sie genauer erklären.

Damit bekommen wir die Oberflächen schön glatt und gleichen Unebenheiten aus. Allerdings erzeugen beide Geräte auch leicht Spannungsrisse. Ich arbeite daher nicht wirklich gerne damit. Am Besten ist immer noch, wenn die Sonne auf eine Skulptur scheint. Nach ein paar Minuten glänzt alles so wunderschön.

Ihre Eisskulptur stellt einen Raben dar. Warum gerade ein Rabe?

Der Rabe ist ein mythisches Tier bei den Haida, einem Indianervolk in Kanada, einem der 600 First Nations des Landes. Unsere Skulptur beruht auf einer berühmten kanadischen Legende, in der es einem Raben mittels Sonne und Mond gelang, das Tageslicht in die Welt zu bringen.

Ist ein guter Eiskünstler automatisch ein guter Schneekünstler?

In der Regel ja. Aber es gibt in beiden Disziplinen eine echte Weltspitze, die sich auf jeweils ein Thema konzentriert. Craig und ich werden allerdings hier in Harbin nach einem Ruhetag auch noch an der Schneeskulpturen-Meisterschaft teilnehmen.

Wer kürt den Sieger?

Eine mehrköpfige Jury, Menschen, die mit der Eis- bzw. Schneebildhauerei eng verbunden sind. Russische Eiscarver etwa, der Präsident der internationalen Eis- und Schneebildhauervereinigung aus Finnland und einige andere Fachleute aus der Szene.

Wie sehr setzt Ihnen die Kälte zu?

In Harbin stehen wir seit drei Jahren in einer Halle, dem so genannten Ice-Dome, also nicht mehr unter freiem Himmel. Es ist zwar immer noch bitterkalt, aber zumindest windstill. Ich komme mit der Kälte insgesamt gut klar, habe sogar das Gefühl, dass sie mich abhärtet und fit macht. Außerdem versinke ich in meiner Arbeit ohnehin so sehr, dass ich alles um mich herum vergesse. Auch die Kälte.

Vor dem Ice-Dome arbeiten aber auch Künstler an ihren Skulpturen.

Ja, das ist sozusagen der Nachwuchs. Es sind Schüler und Studenten aus Harbin bzw. der Mandschurei, die hier mit Lehrern anrücken und im Eiscarving unterrichtet werden. Eisschnitzen hat hier in China eine lange Tradition.

Wo finden die größten Eisskulpturen-Wettbewerbe statt?

Hier in Harbin, natürlich in Sapporo, in Fairbanks, in Québec, aber auch in Belgien, Litauen, Finnland und Schweden.

Auch in Mitteleuropa?

Ich war schon oft in Norditalien. Rund um das Grödnertal blüht die Holzschnitzkunst. Das ist es zum Eis auch nicht mehr weit.

Sie betreiben einen großen Aufwand für ein vergängliches Kunstwerk.

Ach, das ist doch nicht schlimm. Mich bewegen ausschließlich künstlerisch-kreative Motive. Ich will etwas schaffen, entstehen lassen, mich mit meiner Eiskunst ausdrücken. Hier in Harbin sehe ich das eher als eine Art Performance. Die Menschen kommen scharenweise und schauen uns bei der Arbeit zu.

Keinesfalls. Im Gegenteil, ich freue mich darüber. Wenn man bloß die fertigen Skulpturen, also das Ergebnis sieht, urteilt man sehr schnell über gut oder weniger gut, hat aber keine Ahnung, wie viel Arbeit in jeder einzelnen Skulptur steckt. Daher arbeite ich grundsätzlich gerne vor Publikum.

Gesetzter Fall: eine Eisskulptur ist besonders gelungen. Ärgert es Sie dann nicht, dass sie „nur“ aus Eis ist?

Nein gar nicht. Früher habe ich auch mit Bronze und Stein gearbeitet. Allerdings ist das richtig harte Arbeit. Du bist wochenlang acht Stunden am Tag mit einem einzigen Objekt beschäftigt. Schnee- und Eisskulpturen hingegen fördern einen hohen Output. Ich kann richtig viel davon produzieren. Das kommt meiner Kreativität entgegen.

Artikelbilder: © Johanna Stöckl

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[/two_fifth]Jedes Jahr im Winter, in der Regel von Anfang Januar bis Mitte Februar, findet im chinesischen Harbin das Eis- und Schnee-Festival statt. An verschiedenen Orten in der Stadt Harbin werden zum Teil sehr filigrane Eis- und Schneeskulpturen ausgestellt. Der größte Schneeskulpturenwettbewerb der Welt findet auf dem Gelände der Harbin Engineering University satt. 2012 wurde ein neuer offizieller Weltrekord aufgestellt. 52 Teams aus der ganzen Welt haben 1858 Kubikmeter Schnee für ihre Skulpturen verwendet.Der erste Preis beim „International Collegiate Snow Sculpture Contest 2012“ geht an das Team der Universität Marburg.

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Die Eisskulpturen-Wettbewerbe finden im Zhaolin-Park statt, das Rennen um die besten Schneeskulpturen im Landschaftsgebiet Sun Island. Die größten Skulpturen sind Nachbauten berühmter Baudenkmale. Die Skulpturen sind zum Teil mehrere Meter hoch und werden nachts von innen mehrfarbig beleuchtet. Das Festival hat sich mittlerweile zu einer echten Touristenattraktion entwickelt. Aus allen Himmelsrichtungen strömen jährlich viele Touristen zum Harbiner Internationalen Eis- und Schneefest und zur Harbiner Eisskulpturausstellung zusammen.

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[tab]China
Harbin, International Snow and Icefestival 28.12. bis 28.02.2013

Japan
Sapporo, Snow and Icefestival 05.02 bis 11.02.2013

Kanada
Québec, Winter Carnival 01.02. bis 17.02.2013
Lake Louise, Ice Magic Festvial 18.01. bis 20.01.2013

Norwegen
Geilo, Ice-Music-Festival 24.01. bis 27.01.2013

Alaska
Fairbanks, IceAlaska 26.02. bis 31.03.2013

Italien, Südtirol
Innichen, Schneeskulpturen Festival 09.01. bis 11.01.2013
St. Vigil, Schneeskulpturen Festival 14.01. bis 16.01.2013

Estland
Pärnu, Ice Festival 16.02. bis 24.02.2013

Belgien
Brügge, Ice Magic 23.11. bis 06.01.2013

Lettland
Jelgava, Ice Sculpture Festival 08.02. bis 10.02.2013[/tab][/tabs]

Johanna StöcklLogbuch| Johanna Stöckl empfand ihre Reise nach Harbin als unglaublich schön, spannend und inspirierend. Das jährliche Eisfestival deutet sie als Loblied auf die Vergänglichkeit…

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